Pilgern gegen Stress

Inhaltsverzeichnis

    Pilgern bedeutet laut Definition eine Reise zu einem spirituellen oder religiösen Ort.

    Heute habe ich Katja Härle bei mir im Interview. Sie ist 47 Jahre, arbeitet heute als Wegbegleiterin und Coach für Stressgeplagte und Burnout -Betroffene.

    Sie sagt von sich selbst, dass sie nach ihrem Burnout durch Pilgern wieder auf ihren Weg zurückfand und dadurch mehr Selbstbestimmung und Stressfreiheit erlebte.

    Du kannst das Interview direkt hier anhören oder lesen.

    Claudia/Interviewerin:

    Katja, danke, dass du so offen über deinen Weg sprichst. Du inspirierst damit natürlich auch die Menschen in der heutigen Leistungsgesellschaft, die sich gar nicht trauen, offen mit dem Thema rauszugehen. Und dafür erstmal ein herzliches Danke und ein herzliches Willkommen.

    Wir Selbstständigen sind ja oft mit dem Thema Stress konfrontiert. “Selbst und ständig” habe ich von Bekannten regelmäßig gehört. Das wird fast schon vorausgesetzt. Die Tage wirken manchmal nicht planbar. Wir machen Überstunden. Am Wochenende kann man schlechter abschalten. Und schwupps schon ist man zum Workaholic geworden. Das wirkt sich aufs Privatleben aus. Freunde und Familie, Hobbys oder die Gesundheit leiden im schlimmsten Fall natürlich auch drunter. Und die Unzufriedenheit wächst vielleicht auch.

    Wie stehst du zum Thema Stress in der Selbstständigkeit?

    Katja:

    Bei mir war es tatsächlich so: ich habe mich ganz bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Das klingt jetzt vielleicht aufgrund dessen, was du gesagt hast, erstmal widersprüchlich. Mir ist meine persönliche Freiheit sehr wichtig. Also mir geht es tatsächlich um meine Entfaltung, um das zum Ausdruck zu bringen, was mir wichtig ist. Und da hat für mich Stress auch eine andere Konnotation. Natürlich gibt es das deswegen trotzdem.

    Ich habe erst vor kurzem einen Podcast gestartet. Da hatte ich mal wieder so eine echte, richtige Stressphase. Stress auch deshalb, weil ich mit meinen inneren Antreibern einfach noch mal so richtig in Kontakt gekommen bin: Ich lerne was völlig Neues. Ich will es aber gleich von Anfang an perfekt machen. Das geht natürlich nicht. Jeder hat eine Lernkurve. Da habe ich richtig gemerkt, dass ich wieder schlechter geschlafen habe. 

    Ich glaube, das ist auch ganz natürlich, wenn wir als Selbstständige plötzlich für alles verantwortlich sind. 

    Als Arbeitnehmer hast du halt eine dedizierte Aufgabe und ich sage jetzt ma: die ist erst mal überschaubar. Als Selbstständige bist du plötzlich für alles verantwortlich, hast aber natürlich nicht in allen Dingen Kenntnis und auch nicht in allen Dingen deine Stärken. Das kann schon ganz schön stressen. Und insofern ist natürlich Selbstständigkeit erstmal nicht für jede und jeden geeignet, weil das einfach auch ein großer Verantwortungsbereich ist.

    Wenn ich aber für mich selber verstanden habe, dass mir die persönliche Entfaltung und meine Freiheit so über allem steht, dann bin ich bereit, gewisse Dinge hinzunehmen. Und dann ist es eine andere Abwägung. Ich glaube, dann ist es wichtig, hinzuschauen: Wie kann ich jetzt das, was für mich zu tun ist, leichter machen? 

    Claudia:

    Du hast vorhin gesagt, du hattest gerade unlängst mit dem Start deines Podcasts wieder ein Stressempfinden.

    Welche persönlichen Ansatzpunkte hast du, um mit Stress umzugehen? 

    Katja:

    Eine ganz wesentliche Erkenntnis ist für mich immer zu verstehen, warum gerade Stress entsteht. Also, was genau macht mir eigentlich Stress? Vorher habe ich ja schon so ein bisschen Salopp gesagt: da bin ich mit meinem inneren Antreiber in Kontakt gekommen.

    Was genau ist der Auslöser? Das Äußere, also jetzt diesen Podcast zu machen, das ist nicht der eigentliche Grund für meinen Stress. Sondern ich will es perfekt machen und es soll möglichst schnell ein Ergebnis da sein. Und wenn ich das über mich selber verstehe, habe ich einen Einfluss darauf.

    Das ist ein riesengroßer Hebel zu sagen: Moment mal. Wieso mache ich mir eigentlich so viel Stress? Wer steht denn jetzt da und sagt: "Hey Katja, du musst jetzt aber… und du sollst…”  -  niemand außer ich. Zu verstehen, dass ich selber die Quelle meines Stresses bin und damit auch alles in der Hand habe, das zu ändern.

    Das heißt natürlich nicht, dass ich deswegen sofort aus dem Stress rauskomme und plötzlich wieder besser schlafe. Aber es wirkt insofern, dass ich mich immer wieder rausführe aus dieser Spirale und durchschnaufe. Mir Räume schaffe, dann auch wirklich einen Abstand zu gewinnen.

    Mein Perfektionismus darf das gerne lernen. Zu sagen: “Hey, ich weiß, du willst das super machen, aber weißt du was? Ich würde sagen, in der Zwischenzeit, bevor wir es super machen, fangen wir einfach mal an. Wir machen einfach mal eins nach dem anderen und wenn es dann nicht so toll ist, wie wir es uns wünschen, mei, jeder hat eine Lernkurve.”

    Also versuche ich es dann auch manchmal mit Humor und das geht dann ab und zu. Ab und zu auch nicht. Dann lasse ich es auch sein. Dann kann ich mich da rein entspannen und sagen: “Okay, heute war es anstrengend für mich.” Ich bin auch nicht immer gut drauf und gut gewappnet und dann weiß ich aber auch, es geht wieder vorbei.

    Claudia:

    Da hast du eine interessante Formulierung gebracht. Du hast mit deinem Perfektionismus in der dritten Person gesprochen.

    Das heißt, du bist keine Perfektionistin oder bist du es nicht mehr? 

    Katja:

    Ich bin es nicht in Totale, sagen wir es mal so. Es gibt ja diesen schönen Spruch: “Wer bin ich und wenn ja, wie viele?” Ich habe sehr intensive Persönlichkeitsanteilarbeit und Schattenarbeit gemacht. Und ich habe meinen Anteilen, vor allem den nicht so ganz geliebten, richtige Persönlichkeiten gegeben. Also auch Namen. Die perfektionistische Paula heißt sie bei mir und die hat auch ein gewisses Antlitz wie sie da so steht. Es ist für mich leichter, wenn ich mit diesen Anteilen so in Kontakt treten kann. Dann ist klar, ich bin es nicht in Gänze und ich bestehe eben auch aus sehr viel mehr als nur aus perfektionistischen Anspruch.

    Und um das Thema aufzugreifen mit dem, “du warst es und bist es nicht mehr”, das höre ich immer wieder. Aber dann sage ich immer: "Ich habe gelernt damit umzugehen." Ich kann mittlerweile mit meinen antreiberischen Anteilen ganz anders umgehen.  Ich lasse sie nicht unbewusst über mich regieren. Und das hat es deutlich leichter gemacht. Sie haben ja auch positive Anteile, definitiv. Bewusstheit ist da ein ganz wichtiger Aspekt in dem Zusammenhang. Bewusstheit und ein anderes Umgehen. Sie nicht zu verteufeln. Und gleichzeitig zu verstehen, es hat einen Grund, warum ich perfektionistisch bin.

    Am Ende wollen uns alle Verhaltensweisen, die wir gelernt haben, vor irgendetwas schützen. Sie wollten etwas für uns besser oder leichter machen. Das darfst du anerkennen.

    Ich mag es durchaus, dass ich einen Wunsch  habe, die Dinge gut zu machen, dass es den Menschen gefällt. Das ist per se ja nichts Schlechtes. Nur, wenn ich es über alles stelle und vor allem es wirklich jedem Recht machen will, dann ist es ein Fluch.

    Die Dinge, die vielleicht mal ein bisschen übers Ziel hinausschießen, über die kann ich auch mal lächeln und sagen: “Aha, alles klar. Jetzt ist das mal wieder im Gange.” Das ist, glaube ich, ein besserer, natürlicher Umgang, statt einen inneren Widerstand gegen diese Anteile aufzubauen.

    Claudia:

    Ein wichtiges Thema bei mir ist auch das Thema Klarheit, die man braucht, wenn man zum Beispiel an seinem Zeitmanagement sinnvoll ansetzen will. Du sprichst davon, dass du durch Pilgern wieder auf deinen Weg zurückgefunden hast.

    Inwieweit kann uns Pilgern dabei helfen, Klarheit zu finden?

    Katja:

    Das ist eine sehr gute Frage und auch ein sehr spannender Aspekt. Wenn ich so überschreiben wollte, was Pilgern für mich ist, dann würde ich sagen - es ist eine Art, mal richtig in Distanz zu treten zu seinem Alltag. Rauszugehen aus dieser Tretmühle, das immer mehr machen und weitermachen und gar nicht mehr wirklich zu reflektieren: “was tue ich da und wozu mache ich das überhaupt?” Ich trete wirklich komplett raus. Und ich trete nicht nur raus, sondern ich reduziere auch sehr stark. Ich reduziere Reize und auch meine Aufgaben. Ich bin ja letztendlich nur mit Gehen beschäftigt. Mit Gehen, essen, schlafen - mehr ist es nicht. Dadurch gewinne ich per se schon mal einen ganz großen Abstand zu dem Üblichen, was da auf mich einprasselt. Das ist das erste.

    Und das zweite: Dadurch, dass ich in Bewegung bin, kommen natürlich auch innerlich Dinge in Bewegung. Es kann einfach, das, was sonst nach unten geschoben wird, endlich wieder in Erscheinung treten. Es lockern sich viele Strukturen in mir. Ich fühle mich wieder geerdet, einfach weil die Dinge abfallen, weil wir uns mit so viel Unwesentlichem beschäftigen. Es treten einfach diese wesentlichen Dinge, die mir wichtig sind, die für mich im Leben eine Rolle spielen, wieder klar in Erscheinungen.

    Ich habe ein Bild: “Stell dir vor, du hast ein Wasserglas in der Hand, wo Sand drin ist. Du rührst permanent mit einem Löffel drin rum, weil ständig irgendetwas reinkommt, in dieses Wasserglas und ständig verrührt werden will. Dann hast du eine trübe Brühe. Und wenn du aufhörst zu rühren und einfach mal sein lässt, dann schaffst du es, dass diese Sandkörnchen sich legen dürfen. Und dann siehst du wieder viel klarer, worum es eigentlich geht. Das ist für mich das Pilgern: “Worum geht es mir im Kern? Was ist wichtig für mich?”  Ich komme dann sehr viel sortierter wieder zurück und kann sehr viel klarer und strukturierter wieder an die Dinge rangehen.

    Claudia:

    Wenn jetzt jemand im Alltag schon merkt, ihm fehlt die Klarheit und die Person hat vielleicht nicht die Möglichkeit, sich da ein paar Tage direkt rauszunehmen.

    Gibt es eine Möglichkeit das im Alltag umzusetzen?

    Katja:

    Das ist super spannend. Letztendlich geht es bei allen Dingen, die wir tun, wenn wir uns für zwei bis drei Wochen rausnehmen, darum, das ganze Jahr in den Alltag zu bringen und zu transferieren. Egal ob Pilgern, Schweigen oder Meditieren oder was auch immer. Allein mit Pilgern ist es ohnehin nicht gemacht. Das ist wie wenn ich irgendwas mit dem Rücken habe und ich gehe mal für fünf Wochen auf Kur. Dann habe ich vielleicht wirklich was getan für meinen Körper. Wenn ich dann zurück gehe und mache wieder meinen gleichen alten “Sch….”,dann habe ich überhaupt nichts erreicht.

    Per se finde ich es schon cool, wenn man es mal wirklich schafft, sich ganz rauszunehmen für eine gewisse Zeit. Mir ist aber auch bewusst, dass sich viele diesen großen Freiraum nicht schaffen können. Frage dich: “Was ist denn möglich?" Es geht nur darum, mal einen Schritt herauszutreten aus diesem üblichen Alltagsgewühle. Einfach mal still zu werden, nach innen zu gehen. Wie du das machst, das kann total individuell sein. Der eine nutzt gezielt die Zeit mit dem Hund, um einfach mal einzuloggen. “Hey, wie geht es mir eigentlich gerade? Wie fühlt sich eigentlich mein Körper gerade an? Wie geht es mir eigentlich gerade mit meinem Leben? Gibt es irgendwas, das mir gerade nicht gut tut?”

    Ich glaube, dass es dann schon Zeit braucht, bis sich richtig tief eingefahrene Dinge zeigen. Aber das ist eine Form von meditieren. Meditieren ist für mich ja nichts anderes: Du nimmst dir ganz bewusst Zeit, um nach innen zu lauschen.

    Fang an mit dem, was dir möglich ist. Und wenn es nur drei Minuten sind, die du dir vielleicht dreimal am Tag nimmst, bevor du aus deinem Auto aussteigst oder bevor du den Zündschlüssel umdrehst. Damit ist, glaube ich, schon sehr, sehr viel gewonnen, wenn ich das wirklich in meinen Alltag bringe und das zu einer Gewohnheit werden lasse.

    Claudia:

    Hängt es von einer Kilometerzahl, ab wann sich diese Klarheit einstellt?

    Katja: 

    Es hängt nicht an einer Kilometerzahl. Ich würde sagen, die Menschen, die pilgern gehen, die sind eigentlich schon an einem gewissen Punkt gereift, dass sie sagen: so geht es nicht mehr weiter. Das ist zumindest meine Theorie, dass es die meisten Menschen, die auf den Jakobsweg gehen, dorthin treibt, weil einfach schon etwas ganz schön in Schieflage geraten ist. Warum ist Pilgern die letzten 30 Jahre so in einen Hype gekommen? Ich glaube, das hängt ganz eng mit unserer Entwicklung der Virtualität zusammen. Diese Art permanent online zu sein. Das kommt natürlich mit unserer Art der Technologien, die wir nutzen, dass wir so sehr im Außen sind und permanent am Aufnehmen sind. Ein Trend jagt den nächsten.

    Was uns dabei total verloren geht, ist diese innere Verbindung zu uns. Weil am Ende, glaube ich, führt uns diese Information nicht durchs Leben. Sondern eigentlich nur unser eigener innerer Kompass, der sagt: "Das passt für mich, das will ich ausprobieren und das passt für mich gar nicht.” Wenn ich das nicht mehr spüre, was leitet mich denn dann durchs Leben? Dann bin ich wie ein Spielball. Ich bin völlig verwirrt und jage nur Unwesentlichem hinterher. 

    Claudia:

    Sehr schönes Bild. Ich spreche auch gern vom Mut zum Loslassen, dass wir uns eben auch von Dingen trennen dürfen. Du hast vorhin auch gesagt, beim Pilgern sich mal so ganz auf das Wesentliche zu reduzieren. Für mich ist es aus meiner Sicht manchmal auch wichtig eben nicht nur Dinge loszulassen, sondern vielleicht auch Verpflichtungen und Aufgaben, die wir vermeintlich als wichtig achten, die aber eher Energieräuber sind und die man vielleicht auch ganz aus seinem Leben streichen sollte.

    Wie stehst du zum Mut zum Loslassen und wie kann man aus deiner Perspektive diesen Mut entwickeln?

    Katja:

    Mut ist sowieso ein ganz großes Wort für mich. Ich nenne mich und mein Unternehmen ja Wegemutig. Zum einen glaube ich, ist es etwas, was wir nur Schritt für Schritt üben können. Mut ist ja nichts, was sich irgendwie plötzlich entfaltet. Mut heißt für mich auch nicht, ein Mensch zu sein, der keine Ängste und keine Zweifel und keine Bedenken mehr hat. Sondern letztendlich einen Schritt zu tun, obwohl du Angst hast. Und zu sagen: “Okay, ich probiere das jetzt, obwohl ich Zweifel habe." 

    Ich persönlich glaube, dass jeder Mensch mutig ist oder sein kann. Es kommt immer nur auf die Schrittgröße an. Wie groß wähle ich den Schritt?

    Und bei dem Mut zum Loslassen:  Ja, loslassen ist so ein Wort, wo ich auch lange überlegt habe, was heißt das denn jetzt eigentlich genau? Am Ende würde ich sagen, ganz oft geht es um das Akzeptieren von gewissen Dingen, die wir nicht ändern können und sich damit auch nicht ständig zu beschäftigen. Einfach auch mal Dinge hinnehmen. Da zählt zum Beispiel auch dazu, dass sich manche Entscheidungen und manche Klarheiten nicht einstellen, wenn wir sie wollen. Manchmal ist die Zeit noch nicht reif. Also auch da ein Loslassen, rein zu atmen, reinfallen zu lassen und sagen: “Okay, ich kann jetzt heute keine Entscheidung treffen, dann lasse ich das einfach mal los, dass es jetzt heute sein muss. Und vertraue darauf, dass es sich irgendwann zeigen wird.”

    Beim Loslassen im Materiellen haben wir alle ein Bild. Das kann schon extrem schwierig sein für viele Menschen. Bei Gewohnheiten und bei Aufgaben, Anforderungen, Erwartungen - da braucht es ein ganz hohes Verständnis von: "Was ist mir eigentlich wichtig?" Da geht es nicht nur um die eigenen Ziele, die ich verfolge, sondern auch um Umstände. Wir sind ja soziale Wesen. Manchmal geht es darum,dass mir die Sache persönlich nicht wichtig ist, sondern der Mensch, der dahinter steht. Da braucht es einfach eine Klarheit. Ich darf mir selber immer wieder im Klaren sein, warum mache ich das? Da einfach hinzuspüren. Immer wieder in Kontakt zu sein und zu schauen, wieso mache ich das eigentlich, wenn es mir doch eigentlich überhaupt keinen Spaß macht. Es gibt einen Grund, warum ich es machen will, auch wenn es mir nicht liegt, keinen Spaß macht oder mich sogar belastet.

    Gerade bei immateriellen Dingen, wenn es um Personen - Energieräuber - geht, ist es nicht immer so einfach. Ich glaube, da darf man zu sich selber auch mutig sein, sich diesem Prozess, diesem Weg zu überlassen, dass wir nicht immer alles von heute auf morgen gleich loslassen können, nur weil es so klar ist, dass der Mensch mir zum Beispiel viel mehr Energie raubt als gibt. Manchmal braucht es auch einfach Zeit , bis ich an dem Punkt bin, wo ich selber den Schritt gehe und lasse los, indem ich wirklich den Kontakt beende. Da glaube ich, dürfen wir uns üben, nicht immer gleich entscheiden zu müssen.

    Claudia:

    Du arbeitest mit Menschen, die auch von Burnout betroffen sind.

    Was würdest du raten, wenn jemand merkt, dass er Burnoutgefährdet ist?

    Katja: 

    Also, schon mal an der Stelle kann ich nur sagen: Gratulation, wenn du für dich selber wirklich diese Erkenntnis hast: "Ich bin Burnout gefährdet oder das geht in die Richtung.” Vielen Menschen ist es nicht klar, bis es dann passiert. Dann ist es wichtig, es ernst zu nehmen. Wenn da so eine kleine Ahnung ist, nimm es ernst. Burnout ist wirklich kein Zustand, den ich jemandem wünschen möchte und es muss nicht so weit kommen. Der erste Schritt wäre für mich, Abhilfe schaffen. Da würde ich tatsächlich klar dazu raten, wenn du merkst, du bist wirklich so in einem wiederholten Erschöpfungszustand, dann hol dir Hilfe. 

    Oft ist es schon so, dass wir zu nah an uns dranstehen, als dass wir von uns selber sagen können, was jetzt wichtig und der nächste Schritt ist.

    Was auch helfen kann, ist, dass man wirklich auch mal ganz bewusst aus diesem Arbeitsumfeld rausgeht, zum Beispiel eine Reha beantragen oder auch Urlaub zu machen. Unter dem Fokus: “Ich gucke mir mal wirklich mein Leben und mich an." Da gibt es auch Seminare und Dinge, die man machen kann, die wirklich mit diesem Ziel unterwegs sind. 

    Claudia:

    Kann man das mit einem Test herausfinden?

    Katja:

    Im Internet kann man ganz viele Tests machen, die dann  so eine Art Balken oder Skala ausgeben, wie weit du da schon drin bist. Meine Antwort dazu ist: “Wenn du dein Gefühl bestätigt wissen willst, dann mach das." Per se ist dein Gefühl das Ausschlaggebende. Wenn du für dich selber merkst, du leidest darunter, was soll dieser Test dann noch sagen? Also, nimm es nicht zu wichtig, was Tests sagen, sondern nimm dein Gefühl als Skala. 

    Claudia:

    Wäre der Hausarzt eine gute Anlaufstelle für Hilfe? 

    Katja:

    Ah ja, bei den Ärzten kommt es sehr darauf an. Ein Arzt allein wird dir vermutlich nicht wirklich helfen können, außer dass er dich vielleicht an einen Therapeuten überweist. Du kannst natürlich im ersten Schritt, um dich wirklich krankschreiben zu lassen, zum Hausarzt gehen. Bevor das aber passiert und du schon im Vorfeld merkst, irgendwas ist hier gerade im Argen, ist es zum Beispiel sinnvoll, dass man sich nach einem Therapeuten umguckt. Allerdings - Achtung die Vorlaufzeiten bedenken. Therapeuten haben in der Regel, wenn du Glück hast, wenige Wochen oder schon bis zu einem dreiviertel Jahr Vorlauf. Das ist natürlich nicht gerade lustig.

    Ansonsten gibt es Wegbegleiter wie mich, die du dir nicht verschreiben lassen musst. Also Coaches, Heilpraktiker für Psychotherapie - die sind in der Regel deutlich schneller verfügbar. Und da bekommst du auch viel Hilfe. Hier wären wir beim Unterschied Pathogenese und Salutogenese. Das heißt, wenn du es relativ frühzeitig erkennst und du verhindern willst, ernsthaft zu erkranken, bekommst du unter Umständen keine Therapie verschrieben. Die Frage ist also, bist du wirklich schon erkrankt, oder möchtest du gesund bleiben? Wenn du gesund bleiben willst, dann ist es wahrscheinlich der bessere Rat, Coachings oder eben solche Sachen wie Achtsamkeits-Seminare zu besuchen.

    Claudia:

    Wie fließen deine Erkenntnisse aus deinem Weg und aus dem Pilgern in deine Arbeit ein?

    Katja:

    Ich bin von der Ausbildung Gestalttherapeutin, beziehungsweise befinde mich noch in der Ausbildung. Bei der Gestalttherapie wirkt  der Mechanismus: Der Mensch wird am Du zum Ich. Das heißt, ich stelle mich als kompletten Resonanzraum als Mensch zur Verfügung. Und ich bringe mich auch als Mensch mit ein. Das ist so ein bisschen auch die Unterscheidung zu den klassischen Therapeuten, die gerne eine professionelle Grenze haben. Bei mir ist das anders. Ich bin als Mensch kompletter. Meine Erfahrungen selbst einen Burnout erlebt zu haben und was für Mechanismen bei mir dazu geführt haben, aber auch die Erkenntnis, dass das meine Geschichte ist und dass die Psyche eines Menschen so vielfältig ist - bringe ich alles mit ein. Genauso wie meine berufliche Erfahrung einer Führungskraft, Projektmanagement, eingebettet zu sein in einer Sandwich -Position. All das fließt mit ein. Und ich biete dir an, egal auf Basis, welcher dieser Methoden, Erfahrungsschätze, Ausbildungen, also gestalttherapeutisch, körpertherapeutisch, Coaching, Kommunikationsmethodisch. Ich biete alles an, wo ich merke, das könnte jetzt passen. Und es ist immer nur ein Angebot. Das heißt, der Klient darf entscheiden. Also immer wieder zu sagen: “Hey, schau mal, spür mal hin.” Ich habe da eine Idee. Was macht es mit dir? Immer wieder dieses in Kontakt kommen mit deinem inneren Kompass. Und da stelle ich alles zur Verfügung, was ich habe.

    Vielen Dank Katja. 

    • Schon in jungen Jahren interessierte ich mich für Psychologie, Soziologie und Philosophie. Doch das Leben schob mich erst in eine völlig andere Richtung: technisch orientierte BWL.

      Ich schien im richtigen Job zu sein, wurde geschätzt für mein Fachwissen und meine aufrichtige, klare Art. Und so wurde ich mit Anfang 30 nach jahrelanger Projektleitung in Logistik- und Supply Chain Bereichen in die Führungsverantwortung befördert und verantwortete mit meinem Team fortan den Transportlogistikbereich eines großen Nutzfahrzeugherstellers.

      Von außen betrachtet eine Erfolgsstory, innerlich zerfraßen mich Zweifel, Unruhe und Unzufriedenheit. Oft stellte ich mir selbst die Frage, was los ist und was mir im Leben fehle. Die Antworten nach meinem Sinn im Leben ließen sich nicht finden. Und so lief ich sehenden Auges in den Burnout. 

      Die eigene anschließende Reise in mein Innerstes, begleitet durch zahlreiche Aus- und Weiterbildungen und vielen Tausend km zu Fuß auf Jakobswegen brachte mich meinen Leidenschaftsthemen wieder nahe. Deshalb bin ich heute Wegbegleiterin und Coach, um Menschen dabei zu unterstützen, wieder den eigenen Weg zu finden und den inneren Kompass zum Leben zu erwecken, um sich dadurch selbstbestimmt durch das Leben zu navigieren. Denn wer das eigene Leben aktiv gestaltet, anstatt sich als Spielball der äußeren Anforderungen und Erwartungen zu fühlen, steigt aus dem Hamsterrad bzw. der Stressspirale aus und entdeckt die eigenen Handlungsräume. Meine eigene Geschichte hilft mir dabei, meine Klienten zu verstehen und sie da abzuholen, wo sie gerade stehen.

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